Mit den richtigen Indikatoren kann man ganz offiziell die massive Ölproduktion aus Teersanden mit einer Klimaschutzpolitik vereinbaren, und die Anwälte zeigen, dass alles nicht so schlimm ist. Ein Blick auf Alberta anlässlich der CETA Vereinbarungen.
In Calgary, Alberta fand im Mai 2013 die Jahrestagung der International Association of Impact Assessment (IAIA) statt, an der ich teilnehmen konnte, unter anderem um über das Treibhausgas-Footprinting der multilateralen Entwicklungs-Bank zu referieren, wo ich arbeitete. Ich durfte auch im Namen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit (BMZ, GIZ, KfW) einen Preis für die vorbildliche Berücksichtigung des Klimawandels in die Projektentwicklung entgegennehmen. Ich war so absorbiert im Job und mit inhaltlichen Aufgaben, dass ich mich gar nicht recht auf den Tagungsort eingestellt habe. Ich hatte die Calgary Stampede noch aus meinem Erdkundebuch in Erinnerung, die olympischen Winterspiele und wusste natürlich, dass Banff und die Rockies nicht weit waren. Als mir bewusst wurde, dass Calgary die Hauptstadt der Ölprovinz Alberta ist und ich mich schließlich für eine Flug-Exkursion zu der Teersand-Feldern interessiert habe, war die längst ausgebucht.
Erste Verwunderung: Beim abendlichen Anflug war eine Dallas ähnliche Skyline mit blinkenden Flugsicherungsleuchten zu sehen. Die nächste: ein horrender Hotel-Preis für eine Verlängerung meines Aufenthalts um eine Nacht (wegen der Preisverleihung) . Die übernächste: die saftigen Preise im Restaurant. Welcome to Boom Town!
In Calgary sind Regierung, Unternehmensverwaltungen und die Banken der Ölprovinz, in Edmonton sollen die Raffinerien sein und noch ein paar 100 km weiter nördlich bei Fort MacMurray sind die Teersand-Ausbeutungen. Vor vierzig Jahren waren die Teersande mit dem Schieferöl und Schiefergas als mögliche Energiequellen in die Langfrist-Prognosen in Betracht gezogen, falls der Ölpreis hoch genug stiege. Das ist also jetzt die Wirklichkeit, und anscheinend alles sehr einträglich. Auf dieser Welle, so wurde mir klar, war Steven Harper aus Calgary zum kanadischen Premierminister aufgestiegen.
Noch mit meinem Bild von Kanada als Alliierten in der weltweiten Umwelt-, Klima- und Entwicklungspolitik hatte ich die Wahl des Standorts Calgary für die IAIA Tagung als vollkommen passend empfunden. Jetzt begann ich mich zu fragen, warum um alles in der Welt die Offiziellen der Provinz es gefördert hatten, ein paar Hundert professionelle Umweltschützer in diese Gegend zu bringen, und zuzulassen, dass auch Teersande, aber vor allem die Umwelt Veränderungen in den weiter nördlichen bis arktischen Territorien zum Thema gemacht würden.
Meine kognitive Dissonanz wuchs, als ich nach der Trommel- Begrüßungs- Zeremonie der First Nation (wie die indigenen Völker in Kanada politisch korrekt genannt werden) die Reden der Offiziellen hörte, von dem Umwelt- und Klimaprogramm der Provinz erfuhr. Ich erkannte, dass man nicht in das Lager der Klimaleugner gewechselt war, wie einige von der Ölindustrie unterstützte Politiker in den USA, und vor allem angesichts der aktuell dort umstrittenen Debatte um die Keystone-Pipeline, die doch gerade Öl aus Teersanden in die Raffinieren der Golfküste transportieren soll. Alberta hatte offenbar eine modernere offensivere Politik.
Die Aufklärung kam, als ich mir die Zeit nahm, das Programm der Provinz ein wenig im Detail anzuschauen. Die Emissionsminderungs- Ziele lesen sich gut. Es sind alles relative Ziele, keine absoluten. Die Emissionen pro Einheit Produkt oder Serviceleistung werden gesenkt, auf hohem Niveau. Keineswegs wird eine interessante Produktion eingestellt, immer nur verbessert. Bei Teersanden, deren ziemlich primitiver dampfgestützter Trennungsprozess einen hohen Energieeinsatz erfordert, bedeutet das immer noch einen hohen THG Emissionswert, abgesehen von der ungeheurer Landschaftsverbrauch und der Wasserverschmutzung. Das bringt den Klimaschutz zwar nicht voran, aber es hört sich gut an. Kein Klimawandel- Leugnen nötig, um weiter Öl aus Versand zu vertreten.
Zurück in Washington, las ich die Argumentation der kanadischen Anwälte pro Teersand und Keystone Pipeline: die Oelproduktion aus Teersand trüge nur 0,x Prozent zum weltweiten THG- Ausstoß bei, also in nicht signifikantem Umfang, womit ein Kriterium für die von US-Umweltorganisation geförderte Untersagung der keystone Importe nicht erfüllt sei. (Wenn das so ist, braucht man sich auch um die deutsche Stromerzeugung aus Braunkohle keinen Kopf zu machen!)
Wenn die EU sich auf CETA einlässt, kann man sich angesichts der kanadischen Energieexport-Wünsche schon einmal auf die Argumente der Anwälte einstellen.
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Dr. Paul H. Suding Mail: paul@elsud.net
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