Am letzten Aprilwochenende spitzt sich ein inner-koalitionärer Dissens zur Klima- und Energiepolitik zu. Ein Vorschlag des SPD- geführten BMWi stößt auf Ablehnung der Abgeordneten des großen Koalitionspartners und von Sparten- Gewerkschaften. BMWi hat Details und Hintergründe präsentiert. Wie gut ist der Vorschlag und sind die Befürchtungen berechtigt? Sind es Richtungskämpfe oder sind es nur noch Rückzugsgefechte?
Das vom SPD-Vorsitzenden geführte BMWi hat im März 2015 seinen Vorschlag als Teil des Eckpunkte-Papiers „Strommarkt“ präsentiert, wie ein erhöhter Beitrag des Stromsektors zur Senkung der deutschen THG-Emissionen erzielt werden kann, der hilft, das Klimaschutzziel 2020 der Bundesregierung zu erreichen. Die Abgeordneten des Koalitionspartners, angeführt von den NRW CDU laut Spiegel, und gemäß FAZ mit Unterstützung des CDU/CSU Fraktionsvorsitzenden im Bundestag, stellen sich dagegen, ebenso wie die Gewerkschaften Bergbau Chemie und Energie sowie Verdi, die sogar eine Demo in Berlin planen. Die SPD Regierung NRW hält sich in der Öffentlichkeit zurück, scheint n der Zwickmühle zwischen Loyalität zum SPD Vorsitzenden und den Gewerkschafts- und Regionalinteressen. Von den NRO WWF und Germanwatch kommt eine Bewertung mit bedingte Unterstützung für die Maßnahme, aber Opposition zu anderen Eckpunkten. WWF/Germanwatch bestehen nämlich auf der Schaffung eines (speziellen) Kapazitätsmarktes, den BMWi nicht will.
Mitte April haben die Berater die analytischen Grundlagen für den in einer Task Force des BMWi erarbeiteten Vorschlag des ’Klimabeitrags‘ präsentiert. Das gibt Gelegenheit zur vertieften Betrachtung des Vorschlags und seiner erwarteten Folgen.
Die Präsentation ist prägnant und zahlen-gestützt, braucht hier nur sehr knapp referiert zu werden:
Die These ist, dass dieser Mechanismus vielfältige Vorteile hat (auch gegenüber den Vorschlägen, die Ende 2014 in der Diskussion waren (vgl. Kommentare dazu hier)
Kurzkritik der Hintergrundanalysen
Die Hintergrundanalysen erstellt vom Öko-Institut und Prognos sind eindrucksvoll. Wie bei anderen Gelegenheiten (Plattform Strommarkt etc.) muss anerkannt werden, dass BMWi hier in kurzer Zeit qualitativ gute Entscheidungsgrundlagen erarbeiten lassen und offengelegt hat.
Was ein wenig stört, ist der rundum bejahende und anpreisende Ton der Gutachter in ihrer Präsentation und der Mangel an Hinterfragen und damit die fehlende kritischer Distanz zum Auftraggeber. Alles was vorgeschlagen wird als nur gut dargestellt. Zweifel werden nicht artikuliert, wichtige Annahmen nicht problematisiert; und es gibt keine Hinweise auf eventuell noch zu klärende Punkte. Dabei könnte man unter anderem über folgende Punkte diskutieren:
a) Die Erwartung, dass die alten Braunkohle-Blöcke noch kurzzeitig flexibel eingesetzt werden. Das erscheint unwahrscheinlich, auch wenn das am Beispiel Jaenschwalde als Moeglichkeit belegt wird, wo sich aber zeigt, dass die alten Anlagen nur über Stunden zurückgefahren aber nicht dass sie nur für eine paar Stunden angeworfen werden können. Vermutlich käme es der Umsetzung des ‚Klimabeitrag‘-Vorschlags doch zur Stilllegung von Blöcken, wenn auch nicht von zu ganzen Kraftwerksstandorten. Wenn aber keine ganzen Kraftwerks Standorte zusätzlich stillgelegt werden, ist der regionale Beschäftigungsverlust vermutlich nicht sehr groß.
b) Die Annahme,
dass der zuletzt steigende Exportsaldo nicht weiter steigt. In der Analyse fehlt die Auslandsflanke. Bei
Einbeziehung des europäischen Kraftwerksparks in die Modell- Analyse könnte sich zeigen, dass nicht nur die neuen deutschen Steinkohleanlagen als Ersatz der alten Braunkohle-Blöcke zum Zuge kommen, sondern auch ausländische Anlagen niedrigerer Qualität mit höheren Emissionen. Das würde zu einer Erhöhung der Emissionen der deutschen Stromversorgung führen, allerdings im Ausland und höhere Wertschöpfung dort. Ende vergangenen Jahres waren diese Folgen
in einer von BDI beauftragten Studie behauptet worden, und DIW hatte die Notwendigkeit einer solchen breiteren
Analyse unterstrichen (vgl. hier) . Die Exportsaldo-Annahme durch eine Analyse zu ersetzen, wäre wichtig.
c) Auslassung der Entscheidung über einen Kapazitätsmarkt. Interessant wäre eine Antwort auf die Frage, ob die Entscheidung für oder gegen einen Kapazitätsmarkt das Ergebnis, auch die regionalen Beschäftigungswirkungen beeinflussen würde.
d) Auslassung der Frage, ob Kraftwerksbetreiber -Gesellschaften unterschiedlich betroffen werden. Da Braunkohle-Kraftwerke weniger und Steinkohlekraftwerke als Folge der Massnahme stärker betrieben würden, würden auch die in diese Technologien investierten Firmen mehr oder weniger, negativ bzw. positiv betroffen. RWE dürfte benachteiligt, Stadtwerke dürften begünstigt werden, weswegen sie offenbar den Vorschlag auch unterstützen. Das könnte zu Ausgleichs-Forderungen und sogar Klagen der Betroffenen führen mit dem Argument, dass hier nachträglich Regeln geändert wurden.
Strukturwandel in den Revieren langfristig unausweichlich - ein Gestaltungswille ist nicht erkennbar
Die politischen Behauptungen, dass die Massnahme den Ausstieg aus der Kohle darstellt oder eben noch nicht, sind natürlich zugespitzt. „Wir können nicht einfach die Kohle plattmachen“ soll Herr Kauder laut FAZ (s.o.) gesagt haben. Laut Spiegel hält Herr Gabriel dagegen fest, von einem Kohleausstieg könne keine Rede sein, die Braunkohle werde noch lange gebraucht.
Letzteres ist zumindest mittelfristig richtig. Auch mit diesem ‚Klimabeitrag‘ würde die Braunkohle 2020 immer noch in der Größenordnung von über 100 TWh beisteuerten, auch wenn doch ein paar Blöcke mehr stillgelegt als die Gutachter erwarten. Längerfristig ist aber schon auf der Basis der Energiewende, d.h. der Energiepolitik der Bundesregierung seit 2010 das Ende der Braunkohle besiegelt, da 2050 etwa zu 85 % des Stroms aus Erneuerbaren kommen sollen. Von 2020 an werden in jedem Fall neue EU ETS Regeln gelten. Der ‚Klimabeitrag‘ würde also den Rückgang etwas vorziehen und beschleunigen. Auch ohne ‚Klimabeitrag‘ wird die Stromerzeugung und der Braunkohlebergbau spätestens ab 2030 weiter zurückgenommen werden. Die Frage ist jetzt, wieviel Energie und Substanz man in das Rückzugsgefecht steckt und wieviel in die Gestaltung auf mittlere und lange Sicht.
Um die Gestaltung des langfristigen Ausstiegs drücken sich alle Beteiligten noch herum. NRW hat nach dem Beschluss von April 2014 Garzweiler II zu verkleinern, für 2015 ein Konzept für die Zeit nach 2030 angekündigt. In der o.g. Stellungnahme von Germanwatch und WWF wird zumindest die die Forderung aufgeworfen, den Strukturwandel sozialverträglich zu gestalten, ohne dass aber auch dort ein konkreter Vorschlag dazu gemacht wird.
Vermisst wird ein offensiver Ansatz, anstatt Konzentration aufs Rückzugsgefecht und mehr als ‚sozialverträgliche‘ Gestaltung.
Die Braunkohlereviere sind nach dem Steinkohlerevieren Aachen, Saar und Ruhr nicht die ersten Kohlereviere die
einen tiefreifenden Strukturwandel erleben, allerdings waren jene eher städtisch geprägt und die Beschäftigungs-
Intensität und Arbeitsplatzverluste der Steinkohle weit höher. Wichtig ist aber die Erkenntnis, dass der
Strukturwandel offensiv zu gestalten ist, eine Erkenntnis, die man am besten an dem Entwicklungs-Unterschied
zwischen dem Wandel in den Gebieten um Maastricht, Lüttich und Aachen studieren kann, wo die niederländische
Politik der frühzeitige Umstellung und Ansiedlung von Alternativen klar am besten abschneidet.
Welche konstruktiven Optionen für den Übergang und die Zeit nach der Braunkohle gibt es? Technologie, Forschung, Hochschulen, Energieexpertise, Chemische und andere Industrie, Erholung, Freizeit, Gesundheitspflege, Landwirtschaft, alles ist in den Revieren vorhanden.
Als Hoffnungsträger galt vor 5 Jahren noch das die Kohlendioxidabscheidung Carbon Capture (CC),
und bildete sogar einen Baustein der Energiewende für eine emissionsarme Stromerzeugung auch partiell mit Kohle. Das Thema ist wegen der massiven Transportproblematik fuer die Lagerung (das S für storage) langsam aus der Diskussion verschwunden. International ist CC aber
nicht abgeschrieben. In jüngster Zeit mehren sich die Hinweise auf Möglichkeiten CO2 in der Synthesegas Herstellung
einzusetzen und damit Mineralölprodukte oder Erdgas in der Chemie zu ersetzen oder zu ergänzen. Wurde das schon in Betracht gezogen?
Gerade hat Frau Wanka einen synthetischen Kraftstoffzusatz auf Basis CO2 in ihr Dienstfahrzeug
getankt. Vielleicht kann man eines Tages CO2 dafür aus der Atmosphäre ziehen.
Die neue dezentarle Energiewelt mit Speichern und hoher Flexibilität kommt, und E.On will sich radikal darauf einstellen, während RWE und die anderen noch zögerlich sind. Auch dort eine defensive Anpassung. Hat RWE schon einmal an ein Pumpspeicherkraftwerk auf der Sophienhöhe gedacht?
Dies ist jetzt nicht der Ort um tragfähige Vorschläge zu machen. Ich will mit diesen Ideen lediglich illustrieren, dass man outside- the -box denken soll, wenn man an offensive Gestaltung denkt.
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Dr. Paul H. Suding Mail: paul@elsud.net
Greijze Graaf 9
6245 KG Eijsden/Mesch
The Netherlands
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supreme best custom essays (Friday, 20 October 2017 00:53)
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