Wie es sich gehört, stellt das BMWi dem Grünbuchs „Ein Strommarkt für die Energiewende“ die Ziele voran. „Energieversorgung soll umweltverträglicher werden und dabei sicher und kosteneffizient bleiben“. Dabei beruft es sich auf das energiepolitische Zieldreieck. Stutzig macht die Zielsetzung „kosteneffizient bleiben“.
Schauen wir im 2. Monitoringbericht des BMWi „Energie der Zukunft“ vom 8. April 2014 nach, in dem laut Entwurf des Grünbuchs vom 23. Oktober 2014 „Die Bundesregierung … die Ziele des Energiekonzepts … ausdrücklich bekräftigt [hat]. Dort finden wir den Begriff „Wirtschaftlichkeit“ übergeordnet. Stellenweise wird auch, wie übrigens auch im Koalitionsvertrag (vgl. Kommentar in den Nachdenkseiten vom 18.11.2013) direkt die „Bezahlbarkeit“ als Ziel neben “Umweltverträglichkeit“ und „Sicherheit“ genannt. einem In den Ausführungen zu diesem Ziel wird anerkannt, dass dies mehr bedeutet als Kosteneffizienz, die aber als entscheidend für die „Bezahlbarkeit“ bezeichnet wird.
„ Wirtschaftlichkeit beinhaltet, neben den Kosten auch die Vorteile zu sehen, die sich aus der Modernisierung der Energieversorgung für den Wirtschaftsstandort Deutschland ergeben. Trotz solch positiver Effekte ist es entscheidend, dass die Kosten im Rahmen bleiben. Die Kosten sind in den letzten Jahren in einigen Bereichen zu stark und zu schnell angestiegen. Die Bundesregierung achtet daher bei der Umsetzung der Energiewende mit Nachdruck darauf, die Kostendynamik zu bremsen. Energie muss insgesamt bezahlbar bleiben.“
Dies liest sich wie der Versuch, die Zielformulierungen des Koalitionsvertrags wieder in Linie mit der offiziellen Begrifflichkeit „Wirtschaftlichkeit“ zu bringen.
Umso mehr macht jetzt stutzig, dass dem Grünbuch in der Entwurfs-Version das Ziel-Begriff „Kosteneffizienz“ für das Strommarktdesign vorangestellt wird. Das ist ein bisschen mehr als nur Begrifflichkeit wie diejenigen unter uns gut verstehen, die sich mit der Bezahlbarkeit von Strom in Entwicklungsländern befassen, wo kostenorientierte Strompreise trotz Kosteneffizienz für viele Haushalte eben nicht bezahlbar sind. In Deutschland stand der Begriff „Bezahlbarkeit“ in der intensiven Diskussion über die EEG-Umlage im Jahre 2013 im Vordergrund und hat offenbar die Formulierungen im Koalitionsvertrag geprägt. Die „Bezahlbarkeit“ ist auch hier nicht gleichzusetzen mit „Kosteneffizienz“, da man sich ja gut vorstellen kann, dass man die Bezahlbarkeit erhöht, indem man Konzessionsabgabe, Stromsteuer etc. und auch die EEG-Umlage zur Deckung der Einspeise-Vergütungen nicht oder anders erhebt.
Wenn im Grünbuch vorgezogen wird, „Kosteneffizienz“ als Ziel zu formulieren, hat das natürlich etwas zu bedeuten. Zum einen mag es dazu dienen, die Diskussion des Jahres 2013 über die EEG-Umlage im Grünbuch zu vermeiden. Zum andern mag es dazu dienen, die Diskussion des künftigen Strommarktes von vornherein so einzurahmen, um sie auf Aspekte und entsprechende Lösungen auszurichten.
Das andere, was an der Zielformulierung auffällt, ist, dass in Bezug auf ein Ziel (Umweltverträglichkeit) eine Verbesserung angestrebt wird, und die beiden Ziele in ihrem jetzigen Zustand als gut betrachtet werden und auf diesem Niveau erhalten werden sollen. Implizit wird also davon ausgegangen, dass bei „Sicherheit“ und „Kosteneffizienz“ ein befriedigendes Niveau erreicht ist.
Was die „Sicherheit“ betrifft, stimmen vermutlich die meisten Fachleute angesichts der kürzlich veröffentlichten Statistiken zu, nach denen entgegen vieler Befürchtungen ein international vergleichsweise hoher und befriedigender Standard gehalten werden konnte. Was die „Kosteneffizienz“ des Stromsystems betrifft, gehen die Meinungen sicher auseinander. Allein die im Grünbuch festgestellte Überkapazität von ca. 60 MW ist ein starker Indikator für Ineffizienz. Weitere Ineffizienz-Indikatoren sind Erscheinungen wie negative Spotmarktpreise und einige mehr, die auch im Grünbuch angesprochen werden.
Auch hier stellt sich die Frage, warum das im Grünbuch-Entwurf so gedreht wird. Möglicherweise will man mit der Zielsetzung „kosteneffizient bleiben“ gleich von Anfang an eine kritische Bestandsaufnahme unter dem Titel Ineffizienzen vermeiden. Wenn man stattdessen als Ziel „Erhöhung der Kosteneffizienz“ formuliert hätte, wäre es erforderlich Indikatoren mit Ist-Zustand und angestrebtem Ziel-Zustand zu formulieren. „ …kosteneffizient bleiben“ ist also eine politisch-taktische Aussage mit einer unzutreffenden empirischen Implikation.
Tatsächlich geht es im Grünbuch - wie bei einer ersten Lektüre klar wird - eher darum, das künftige Stromversorgungs- und –verbrauchs-System, das nach Vorgabe der Energiewende weiter umgebaut werden soll, so zu gestalten, dass dabei die „Sicherheit“ auf hohem Niveau gewährleistet und eine möglichst hohe „Kosteneffizienz“ erreicht wird, durch Abbau bestehender Ineffizienzen und Nutzung neuer technischer und wirtschaftlicher Optionen u.a.m. Wenn man das als Zielfunktion formulieren wollte: bei vorgegebenen Umweltverträglichkeits- (sprich Energiewende-) Zielen und Erhaltung des Sicherheitsniveaus soll die Kosteneffizienz maximiert werden. Der Treiber der Vorschläge zur Optimierung des Systems ist also die Kosteneffizienz.
Dabei setzt die Bundesregierung auf die Weiterentwicklung des Strommarktes. Das ist jetzt ein neuer Diskussionspunkt, auf den ich in einem späteren Kommentar zurückzukommen möchte.
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Dr. Paul H. Suding Mail: paul@elsud.net
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6245 KG Eijsden/Mesch
The Netherlands
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Träbing, Ernst (Tuesday, 03 February 2015 04:19)
Guten Tag Herr Dr. Suding,
mit großem Interesse habe ich Ihre unter dem 1.2.15 veröffentlichte Grünbuch-Stellungnahme gelesen. Vielen Forderungen kann ich zustimmen. Es interessiert mich, ob Sie bei meiner unter "Ernst T." unter dem 10.12.14 veröffentlichten Grünbuch-Stellungnahme Widersprüche sehen oder ebenfalls einen grundlegend richtigen Lösungsansatz sehen, der bei politischer Bereitschaft schnelle Problemlösung bietet.
Ernst Träbing
Paul Suding (Thursday, 05 February 2015 04:32)
Lieber Herr Traebing,
vielen Dank fuer das Interesse. Ich habe Ihre Stellungnahme angeschaut, aber ehrlich gesagt noch nicht in Ruhe durchgearbeitet. Mir scheint, dass Sie in eine Richtung denken, die derzeit unter der Bezeichnung "transactive energy" diskutiert wird (die Anglosachsen sind immer gut darin, einem Thema einen englischen Begriff zu geben) . Vielleicht kennen Sie das schon. Ich fand diesen Aufsatz sehr aufschlussreich:
http://www.cpuc.ca.gov/NR/rdonlyres/F67634A7-4613-4CB0-BB00-C668CED4CEC1/0/PPDTransactiveEnergy_30Oct14.pdf
Paul Suding